Arbeitskreis Astronomiegeschichte

22.-23. September 2013, Tübingen

 

Tagung des Arbeitskreises Astronomiegeschichte in der Astronomischen Gesellschaft.

 



 

Wir tragen mit Teilen der Wanderausstellung zum Gelingen der Tagung bei. Ausgewählte Exponate bieten Bezüge von der Astronomie nicht nur zur Nürnberger, sondern auch zur Tübinger Wissenschaftsgeschichte:

 

Für das heliozentrische Weltbild (1) begeisterte der Tübinger Michael Maestlin seinen jungen Studenten Johannes Kepler (2) und vielleicht auch Galileo Galilei (3).

Die Abbildung des Himmels auf eine drehbare Zeitskala ist eine der vielen Gemeinsamkeiten zwischen

Astronomischer Uhr (4) und Astrolabium (5).

Verständlich wird die Abfolge der Weltbilder durch den direkten Vergleich der interaktiven Versuche von der Bronzezeit (6) über die Antike (7) und das Mittelalter (8) bis Tycho Brahe (9) und in die Neuzeit. 

An sie schließen sich weitere hands-on-Exponate zur Zeitmessung an (10, 11).

In einer vertiefenden Station können Besucher anhand von Keplers Originaldaten versuchen, selbst die Ellipsenbahn des Mars zu folgern (12); dafür sollten sie allerdings etwas Muse mitbringen.

 

 

(1)  Kopernikus' Hauptwerk wurde in Nürnberg erstveröffentlicht.

      -> Exponat zur rückläufigen Planetenbewegung. T

(2)  -> Exponat zum Flächensatz, 2. Keplersches Gesetz. T

(3)  -> Exponat zu den Jupitermonden, mit Bezug auf den fränkischen Astronomen Simon Marius

(4)  -> Exponat Astronomische Uhr; vgl. Johannes Stöffler in Tübingen. t

(5)  -> Exponat Astrolabium; vgl. Johannes Regiomontanus in Nürnberg

(6)  -> Exponat Himmelsscheibe von Nebra. (t)

(7)  -> Exponat zum Foucaultschen Pendel (ausgetauscht statt Aristarch)

(8)  -> Exponat Schedelsche Weltchronik, drehbares Weltmodell (Nürnberg 1493). K

(9)  -> Overheadmodell zur Abfolge der astronomischen Weltbilder. OHP, t

(10, 11) -> Exponate zu den Nürnberger Stunden, zu Sonnenuhren etc. t

(12) -> Konstruktion der Marsbahn aus Brahes und Keplers Beobachtungsergebnissen. T

 

21.-22. September 2014: Bamberg

 

Auch zur Folgetagung dieses Arbeitskreises werden wir wieder beitragen.

 

 

 

 

Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 28 (2014)

 

Wanderausstellung „Physik trifft Renaissance“

 

Rudolf Pausenberger, Lauf a.d. Pegnitz, www.physik.de.rs

 

Zusammenfassung

 

Schüler erstellen von 2010 bis 2012 eine interaktive Wanderausstellung zur Geschichte der Astronomie und zur Physik der Renaissance. Sie lässt die Funktion der historischen Geräte in Hands-on-Exponaten wieder aufleben und macht so Wissenschaft als zentralen Teil abend­ländischer Kultur „be-greifbar“, denn bisher waren bei kulturgeschichtlichen Themen Experimente kaum vertreten.

Die Exponate werden seither nicht nur im Unterricht verwendet, sondern auch in Museen und zu anderen Anlässen gezeigt. Eine zum Arbeitskreis Astronomiegeschichte und zu Tübingen passende Auswahl war am Tagungsort aufgebaut.

 

Schulischer Rahmen

 

In der Oberstufe des G8 ist in Bayern seit 2009 ein dreisemestriges P-Seminar zu wählen – im Gegensatz zu den Leistungskursen des früheren neunjährigen Gymnasiums. 2010/12 bearbeiten 18 Schülerinnen und Schüler in Lauf a.d. Pegnitz das Projekt „Physik trifft Renaissance“. Sie planen und bauen eine interaktive Wanderausstellung im Stil eines Science-Centers zu bedeuten­den naturwissenschaftlichen Erfindungen an der Wende zur Neuzeit. Besondere Anschaulichkeit gewinnt das Projekt anhand lokaler und regionaler Bezüge. Ebenfalls 2010 erstellt eine zehnte Klasse im regulären Unterricht eine interaktive Ausstellung zur Geschichte der Astronomie. Insgesamt entstehen auf diese Weise 26 Mitmach-Exponate. Kennzeichen beider Projekte ist eine enge Verzahnung fach­wissenschaftlicher und handwerklicher Tätigkeit; neben lehrplankonformem Wissen werden methodische und soziale Kompetenzen erarbeitet.

 

Geschichte unserer Kultur

 

Von den historischen Mess- und Beobachtungsapparaten existieren noch einige. Sie lassen sich in Museumsvitrinen bestaunen, wo sie als Kunstwerke präsentiert werden. Etwa im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, dort ist eine stattliche Anzahl von Astrolabien und Sonnenuhren zu bewundern. Um sie kunsthistorisch einordnen zu können, steht an jedem ein Schildchen, das Auskunft über das vermutete Entstehungsdatum, das verwendete Material und die Inventar­nummer gibt.

 

Bild: Vitrine mit zwölf Astrolabien im GNM Nürnberg

 

Bild: Texttafel aus dem Germanischen Nationalmuseum

 

Aber welche weiteren Aspekte sind nötig, um solche Schmuckstücke in unsere Kultur ein­zuordnen? Welche Kennzeichen sind für unsere abendländische Lebensweise charakterisierend und haben eine besonders große Wirkung entwickelt? Kernelemente unserer Kultur sind Neugier, Erkenntnis und Anwendung. Wissenschaft und Technik bilden die Eckpfeiler unserer Weltsicht und sind Grundlage für unseren heutigen, historisch unvergleichlichen Wohlstand. Sie entfalteten sich besonders an der Schwelle vom Mittelalter in die Neuzeit.

Um also die wirkliche Bedeutung der wissenschaftlichen Instrumente für die Entwicklung unserer Kultur wenigstens ansatz­weise schätzen zu können, ist es wichtig, etwas über ihre Funktion zu erfahren und in Kontakt mit den großen Ideen zu treten, die hinter ihnen stehen. Die komplexen geo­metrischen Gedanken müssen erlebbar werden!

 

Unser Projekt

            

So ist die Leitfrage dieser Schulprojekte: „Wie kann man historische, wissen­schaftliche Instrumente angemessen in einer Ausstellung präsentieren?“ Wir entscheiden uns für ein Konzept, bei dem Nutzer die Möglichkeit haben, selbst Hand anzulegen und selbst mit den Ideen großer Entdecker zu experimentieren. Damit lassen Besucher die Funktionen wieder aufleben, „be-greifen“ die innewohnende Innovation und lernen deren wirklichen Wert, nämlich die geschicht­liche Bedeutung zu verstehen.

Deswegen bauen die Jugendlichen die historischen Vorlagen als wissenschaftliche Geräte nach und bereiten sie museumsdidaktisch auf. Neben funktionierenden und ästhetischen Modellen legen wir besonderen Wert auf Texte, die aussagekräftig und ver­ständlich sind und dennoch aufgrund ihres Umfangs keine abschreckende Hürde darstellen. Dies gelingt durch ein mehrstufiges Textkonzept, das von einem unserer Projektpartner, dem Museum Turm der Sinne in Nürnberg, entwickelt wurde.

 

Bild: Die Anleitung für eines unserer interaktiven Exponate

 

Lokale Bezüge

 

Überall in Europa wurde an der Wende zur Neuzeit eine Fülle von Beiträgen geleistet, auch im Nürnberger Land, aus dem das P-Seminar kommt, und in Tübingen, dem Ort unserer diesjährigen Tagung. Es war nicht schwer, aus der Wanderausstellung eine Auswahl zusammenzustellen, die Bezüge zwischen diesen beiden Orten aufzeigt. So wurde zum Beispiel das Hauptwerk des Nicolai Copernici, de Revolutionibus Orbium Coelestium, zuerst in Nürnberg heraus­gegeben. Dessen heliozentrisches Weltbild begeisterte den Tübinger Michael Maestlin und seinen jungen Studenten Johannes Kepler. Stellvertretend sollen hier zwei Ausstellungsstücke beschreiben werden.

 

Zwei Beispiele

 

Eine der wichtigsten Fragen der Astronomie von der Antike bis zur Neuzeit war die nach der Erklärung der rückläufigen Planetenbewegung. Heutzutage halten viele Menschen das helio­zentrische Weltbild für wahr, ohne überhaupt die Phänomene zu kennen, um die es hierbei geht. Die häufigste Begründung „man fliegt einfach hoch und schaut nach“ zeugt in ihrem naiven Glauben eher von einem geistigen Rückschritt gegenüber der Vorstellung der mittelalterlichen Astronomen. Um dies aufzuklären, entscheiden sich vier Mädchen, ein Funktionsmodell aus Fahrradschrott zusammenzuschweißen: Die ineinandergreifenden Ritzel drehen „Erde“ und „Mars“ auf zwei Scheiben mit unterschiedlicher Winkelgeschwindigkeit. Ein Stab, der von der Erde über den Mars hinaus weist, zeigt, wie sich die Blickrichtung vor dem Hintergrund der Sterne verändert: Während die Erde den Mars auf der Innenbahn überholt, kehrt sich die Bewegungsrichtung dieses Strahls kurzzeitig um. Die Aufgabe, bei vorgegebenen Zahnverhältnissen und waagrecht liegenden Ritzeln stets die nötige Spannung des Transmissionsriemens zu gewährleisten, lösten die Mädchen anstelle einer geeignet zu spannenden Kette besser mit Hilfe eines breiten Gummi­bands.

 

Bild: Dieses Modell haben die Schülerinnen geschweißt

 

Zum endgültigen Durchbruch gegenüber dem ptolemäischen System trugen die Keplerschen Gesetze bei. Bei den tatsächlichen, geringen Exzentrizitäten lassen sich die Planetenbahnen lassen jedoch kaum von echten Kreisen unterscheiden. Nur die zwischen Perihel und Aphel unter­schiedlichen Bahn­geschwindigkeiten gaben Kepler einen kleinen Hinweis. Und auch dies nur zusammen mit den außerordentlich genauen Messwerten seines Vorgängers Tycho Brahe, die an der Grenze des mit bloßem Auge noch Erkennbaren liegen.

Für unser Exponat stellte sich damit die Aufgabe, eine Bahnbewegung mit der richtigen, nämlich veränderlichen Geschwindigkeit zu erzeugen. Witzigerweise hilft dabei ein Rückgriff auf den Äquant von Ptolemaios: In Bezug auf diesen hat der Planet eine konstante Winkelgeschwindigkeit. In erster Näherung entspricht der Äquant dem zweiten Brennpunkt der Keplerellipse. Um ihn rotiert bei unserer handwerklichen Lösung eine ausziehbare Schubladenschiene, auf deren Ende ein Modell des Planeten sitzt. Seine Bahn ist ein elliptischer Schlitz, der die Kugel im richtigen Abstand zum Äquant führt.

 

Bild: In Lauf kommen Schüler zum Experimentieren während der Pause

 

Neben diesen beiden war zur Tagung eine Reihe weiterer Exponate aufgebaut, die die natur­wissen­schaftliche Geschichte Nürnbergs und Tübingens verbinden. Eine umfassende Darstellung des Projekts zeigt die Internetseite www.physik.de.rs .

 



Bei der Demonstration der Exponate