Behaims Globus: Weltkugel statt Weltkarte

  

Warum wurden ausgerechnet zum Beginn der Renaissance die ersten Globen hergestellt? Dass die Erde eine Kugel ist, war doch schon bekannt seit der griechischen Antike und seither durchgehend Lehrmeinung!

Wie haben Nürnberger Wissenschaftler auch bei solchen Themen die Weltgeschichte bedeutend vorangebracht?

          Antworten darauf machten wir in einem Wahlkurs deutlich.

          Auf dieser Seite: Martin Behaims Globus (auch zum Selberbauen).

Interkontinentale Seefahrt

An der Wende zur Neuzeit wagten Seeleute  immer weitere Entdeckungsfahrten. Spätestens seit dem Wunsch, den westlichen Seeweg nach Indien zu finden, spielte die Krümmung der Erdoberfläche hier eine entscheidende Rolle. Natürlich fuhr auch Columbus nicht auf gut Glück los. Er übernahm antike Berechnungen für die Länge des Erdumfangs. Und er schätzte die Ausdehnung Asiens ab, allerdings um einiges zu groß. Insgesamt erschien die Idee, auf diese Weise China zu erreichen, also durchaus realistisch, wie Magellan ab 1519 ja bewies. Der war, nebenbei bemerkt, in Portugal möglicherweise auch ein Schüler von Martin Behaim.

  


  
Columbus navigierte mit Tabellen aus Nürnberg (siehe unten).
  

Genügt eine gute Seekarte?

Versuchen Sie mal, eine Orangenschale auf dem Tisch plattzudrücken: Sie reißt ein. Mit einer aufgeschnittenen Luftballonhaut ginge es, sie wird dabei ungleichmäßig gedehnt. Aber das würde ein auf ihr gezeichnetes Bild verzerren. Es ist also nicht möglich, die Kugeloberfläche längentreu in die Ebene abzuwickeln - obwohl es da, je nach Anforderung, recht gute Alternativen gibt.

Einen ausgezeichneten Kompromiss fand Johannes Stabius, ebenfalls ein Nürnberger. Aber wenn Sie Verzerrungen weitgehend vermeiden wollen, brauchen Sie entweder einen ganzen Atlas von Karten, um die Erdoberfläche abzudecken, oder Sie schneiden eine große Karte in lauter schmale Streifen, wie zum Beispiel Martin Waldseemüller. Übrigens die erste Karte, auf der der Kontinent Amerika verzeichnet ist:


Waldseemüllers Segmentkarte von 1507
  

Ein Globus ist die Lösung!

All diese Möglichkeiten sind nicht besonders anschaulich. Es braucht ein besseres Abbild der Erde. Deshalb stellten Martin Behaim und seine Zeitgenossen die ersten Globen her. Der älteste erhaltene steht heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

  



Der Globus von Martin Behaim, ca. 1492
  

Unser hands on-Exponat

Um genau dieses Problem anschaulich zu machen, haben wir einen aufklappbaren „Globus“ nachgebaut.

Versuchen Sie, die Teile auf verschiedene Weisen eben aneinanderzulegen: Immer werden sich störende, spitzwinklige Einschnitte ergeben. Aber wenn Sie ihn als dreidimensonalen Körper zusammenbauen, erhalten Sie ein geschlossenes Modell der Erdkugel - wie Martin Behaim.

  



Die Erde, ausgebreitet als Karte bzw. zusammengebaut als Globus

  

Damit das Exponat gut handhabbar wird, verbinden Magnete als Scharniere die Flächen unseres Dodekaeders. Ausgeschnitten hat die zwölf gleichartigen Fünfecke der Lasercutter im FabLab NüLand.

Mit den digitalisierten Daten aus dem Germanischen Nationalmuseum haben wir den Globus von Behaim auf unser Modell übertragen - das illustriert die Idee kurz vor dem Aufbruch zur ersten Weltumsegelung besonders deutlich.

  



Unser Anleitungstext zum Mitmachen
  

Der Behaim-Globus zum Selberbauen

Sie können hier einen Bastelsatz herunterladen, das Netz in Farbe (am besten auf DIN A3) ausdrucken, falzen und Ihren eigenen Behaim-Globus zusammenkleben. Wenn die Wanderausstellung zur Nürnberger Wissenschafts-geschichte entliehen wird, dürfen sich die Teilnehmer in einem parallellaufenden Wörkshop diesen Globus basteln.

Nürnberg und die großen Seefahrer

Würden Sie eine Weltumsegelung auf den oben ausgebreiten Fünfecken nachzeichnen, sie wäre nicht besonders anschaulich. Auf den zusammengebauten bzw. auf Behaims Globus aber wird sie es!

Und es gibt noch einen weiteren Anknüpfungspunkt zwischen den Nürnberger Wissenschaftlern und den großen Expeditionen nach Übersee: Für die Navigation war es unabdingbar, aus dem Stand der Himmelskörper die eigene nördliche Breite zu ermitteln und, so gut es damals ging, auch die geographische Länge. (Dieses fundamentale Problem der Seefahrt wurde später auch von einem Nürnberger gelöst, von Tobias Mayer.) In jedem Fall brauchten die Kapitäne damals verlässliche Planetentabellen dazu. Auf Anregung von Behaim fuhr Columbus mit den besten, die es damals gab: Mit denen des (Wahl-)Nürnbergers Johannes Regiomontanus.

  



Regiomontanus mit Astrolabium. Abbildung aus der Schedelschen Weltchronik, Nürnberg, 1493

 

Navigationsverfahren zu entwickeln und zu perfektionieren ist eine Aufgabe für Mathematiker. Und die gab es hier: Nürnberg bezeichnete man damals als mathematische Hauptstadt Europas.

 

„Erinnerungszeichen Bayern“

Mit dem Exponat von 2018 als aktuellem Aufhänger traten wir zum Geschichtswettbewerb „Bayern um 1500: Zeit für Neues?“ an. Als Naturwissenschaftler waren wir dort zwar ein wenig die Exoten, aber wir haben einen Hauptpreis gewonnen, verliehen am 3. Juli im Bayerischen Landtag. Hier unser Beitrag:

Dymaxion-Weltkarte

Nun, wir sind weder die Ersten, die auf eine schlaue Kartenprojektion gekommen sind, noch mit der Hybris eines Arno Peters geschlagen, das zu behaupten. Und schon gar nicht möchte ich dem genialen Richard Buckminster Fuller mit seiner Ikosaederkarte Unrecht tun. Aber wollten wir mit Gewalt modern sein, ließe sich die Beliebigkeit von Anfang und Orientierung für die heute so gerne verbreiteten woken Interpretationen der Entwicklungsländer missbrauchen. 

Anhang: Columbus verfehlt fast sein Ziel*

Christoph Columbus hatte im 15. Jahrhundert eigentlich eine Reise zum heutigen Indien geplant. Dass die Erde eine Kugel ist, wusste er bereits. Von Aristoteles sind dafür drei Beweise überliefert. Doch er unterschätzte ihre Größe. Um den Umfang des Planeten zu berechnen, stützte sich der Seefahrer auf die Arbeiten des persischen Astronomen Abu al Abbas Ahmad ibn Muhammad ibn Kathir al-Farghani.

Dieser hatte angegeben, dass die Distanz, die man entlang dem Äquator von einem Längengrad zum nächsten durchläuft, etwa 57 Meilen entspricht. Was Kolumbus allerdings übersah: Al-Farghani rechnete mit arabischen Meilen, die rund 7100 Fuß*² entsprechen – und nicht mit den damals in Europa üblichen 4865 Fuß bemessenden römischen Meilen. Damit fiel der von Kolumbus berechnete Erdumfang zirka um ein Viertel zu klein aus.

Es häufen sich weitere Fehler: Der Seefahrer nahm an, Asien würde sich viel weiter erstrecken und fast bis zu den Azoren reichen. Nach seiner Auffassung lag Indonesien rund 68 Grad westlich von den Kanaren, was einer Reisedistanz von etwa 3000 Seemeilen*³ entspricht. Dagegen beträgt die Entfernung zwischen Teneriffa und Jakarta in Wirklichkeit 7300 Seemeilen. Wer weiß, ob Kolumbus seine abenteuerliche Reise angetreten hätte, wenn er die wahre Distanz gekannt hätte.

*    Quelle: M. Bischoff, Spektrum der Wissenschaft, 29.12.2023

*²  360 Grad . 57 Meilen/Grad . 7100 Fuß/Meile . 0,3 m/Fuß = 43 . 10^3 km.

*³  3000 sm = 50 Grad = 5400 km

-> Zu weiteren Exponaten der Wanderausstellung über die Nürnberger Stadtgeschichte aus unserem Wahlkurs